Heinz Hilgers: „Jedem Kind eine faire Chance“
Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes beim FDP-Neujahrsempfang
Wiesloch. Beim Neujahrsempfang des Kreisverbands Rhein-Neckar und des Ortsverbands Wiesloch-Südliche Bergstraße der FDP plädierte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers dafür, „jedem Kind eine faire Chance“ zu geben. Besonders richtete er seinen Blick auf den Fall, in dem ein Neunjähriger im Hochschwarzwaldkreis von seiner Mutter für Sex verkauft und von ihrem Lebensgefährten missbraucht worden sei. Zwar hatte das Jugendamt den Jungen in Obhut genommen. Aber die zuständigen Gerichte hätten ein Kontaktverbot für den Lebensgefährten ausgesprochen und der Mutter vertraut, dass diese das Wohl ihres Sohnes wolle. Ohne den Jungen selbst anzuhören, habe das Gericht ihn dann zurück zur Mutter geschickt. „Auch vor Gericht müssen Kinder wegen ihrer Meinung gehört werden“, mahnte Hilgers als Konsequenz hieraus. Bisher hätten Kinder zwar Menschenrechte, aber keine staatsbürgerlichen Grundrechte. Hilgers forderte deswegen: „Kinderrechte müssen ins Grundgesetz aufgenommen werden.“
Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der von Kinderarmut betroffenen Mädchen und Jungen von 1,4 Millionen gestiegen auf 2, 7 Millionen, mahnte der Kinderschutzbund-Chef. Dies sei umso dramatischer, weil andererseits die Kinderzahl – ohne Flüchtlingskinder – von 15,7 auf 12 Millionen zurückgegangen sei. Deswegen, so erklärte Hilgers, „brauchen Mindestlohnempfänger mit Kindern staatliche Unterstützung“. Hiermit meine er keinen Versorgerstaat, sondern Hilfe zur Selbsthilfe, und Unterstützung nur für die wirklich Bedürftigen. Er forderte die Politiker dazu auf, Wertschätzung und Hilfsbereitschaft für Kinder zu zeigen. Hilgers wies darauf hin, dass Lehrer, Erzieher, pädagogische Fachkräfte und Eltern als Erziehungspartner zusammenwirken und Kinder nicht in Loyalitätskonflikte stürzen sollten. „Ich wünsche den Kindern, dass sie Menschen finden, die ihnen gute Beispiele geben und bei denen sie spüren, dass diese sie mögen“, konstatierte er.
Zuvor hatte FDP-Ortsverbandsvorsitzender Rüdiger Haas sich in seinem Grußwort mit lokalen Themen befasst. Er plädierte dafür, in Wiesloch den Plan zum Neubau der Gemeinschaftsschule aufzugeben, denn zum einen gebe es in Nachbarorten inzwischen genügend Schulen dieser Art, und zum anderen müsse Wiesloch angesichts einer drohenden Verdoppelung des Schuldenbergs bis 2030 überlegen, wie die finanziellen Mittel am besten einzusetzen seien. Haas sprach sich dafür aus, statt eines Neubaus die Gerbersruhschule am vorhandenen Standort auszubauen und an der Bertha-Benz-Realschule die wegen untragbarer baulicher Mißstände dringend nötige Sanierung anzugehen. Der Ortschef der Freien Demokraten lobte die Wieslocher Verwaltung für deren Anstrengungen zu einer Neuansiedlung von Gewerbe und Wohnungen mit dem Ziel, die Steuereinnahmen zu steigern. Und dem Wirken der FDP-Stadträte Bernd Lang (Wiesloch) und Jürgen Abt (Rauenberg) sprach Haas große Anerkennung aus.
Alexander Kohl, der Vorsitzende des FDP-Kreisverbands Rhein-Neckar, blickte voll Freude auf den September 2017 zurück mit der Wahl Dr. Jens Brandenburgs und dem Wiedereinzug der Freien Demokraten in den Bundestag. Er dankte dem neuen Bundestagsabgeordneten für die „hervorragende und unkomplizierte Zusammenarbeit“. Kohl erklärte, im Interesse der Kinder und künftiger Generationen dürfe der Bundeshaushalt nicht immer weiter aufgebläht werden, sondern Mittel sollten umgeschichtet werden. Der Kreisverband habe im vergangenen Jahr 74 neue Mitglieder verzeichnen können, davon 10 im Ortsverband Wiesloch-Südliche Bergstraße.
In seinem Grußwort wies der Wieslocher Bürgermeister Ludwig Sauer darauf hin, dass der Deutsche Kinderschutzbund in der Weinstadt sehr stark vertreten sei und sich mit vielen Einrichtungen engagiere, dabei auch eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Asylbewerber. Überhaupt könne Wiesloch auf seine tollen Vereine stolz sein. Mit Blick auf die örtlichen Schulen zeigte Sauer sich der „schlimmen baulichen Situation“ der Bertha-Benz-Realschule durchaus bewusst. Besonderes Lob zollte der Bürgermeister der Gerbersruhschule, die seit drei bis vier Jahren einen tollen Job mache, was gewürdigt werden und erhalten bleiben müsse. Deswegen sei der Schul-Neubau unverändert weiter nötig, sagte Sauer. Er konstatierte: „Wiesloch wird vorankommen – tragen Sie dazu bei!“
Dr. Jens Brandenburg, der neugewählte FDP-Bundestagsabgeordnete, berichtete von seinen ersten mehr als 100 Tagen in Berlin. Er wies darauf hin, dass die Freien Demokraten für eine Modernisierung Deutschlands und eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie eingetreten seien und konsequent weiterhin einträten. Dies sei aber in der Jamaika-Sondierung mit Union und Grünen nicht durchsetzbar gewesen. Nur ein Beispiel dafür war nach seinen Worten die Frage, welche Strom-Menge eingespart werden sollt: Die Grünen hätten gefordert, 9 Gigawatt bis 2021 einzusparen. Experten von CDU und FDP dagegen hätten nur eine Reduzierung um 5 Gigawatt für möglich gehalten, und das auch nur mit Ach und Krach. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dann gemeint, dann solle man eben 7 Gigawatt machen. Auch beim Auslaufen des Solidaritätszuschlags und in Fragen der Zukunft Europas seien ständig neue und andere Vorschläge gekommen. „So ging es nicht“, erklärte Brandenburg. Die Freien Demokraten seien nicht für das Scheitern der Jamaika-Sondierung verantwortlich. Hinsichtlich einer Regierungsbildung erwartete der FDP-Abgeordnete das Zustandekommen einer Großen Koalition zwischen CDU, CSU und SPD. Da diese eine Überprüfung der Zusammenarbeit nach zwei Jahren, zur Hälfte der Legislaturperiode, einplanten, sei das gegenseitige Vertrauen zwischen den Unionsparteien und den Sozialdemokraten aber nicht sehr groß. Mit Blick auf die hiesige Region erklärte Jens Brandenburg: „Ich werde mit den Abgeordneten Harbarth (CDU) und Castellucci (SPD) Wahlkreisthemen besprechen, um diese voranzutreiben.“
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch Henrik Frama (Violoncello) und Christoph Gade (Violoncello) von der Musikschule Südliche Bergstraße. Nach den Vorträgen nutzten die Besucher des von Robert Blum als Vorstandsmitglied des FDP-Ortsverbands organisierten Neujahrsempfangs bei Sekt und Brezeln intensiv die Möglichkeit zum Meinungsaustausch über die gehaltenen Vorträge.