FDP-Fraktionschef Friso Neumann zum Haushalt 2023

„Bei Großprojekten wesentlich sorgfältiger abwägen!“

FDP-Fraktionsvorsitzender Friso Neumann (Foto: Friso Neumann)

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Stadtrat Rauenberg, Friso Neumann, nimmt Stellung zum Rauenberger Haushalt 2023 wie folgt:

„Liebe Bürgerinnen und Bürger in Rauenberg, Malschenberg und Rotenberg!

Zunächst die guten Nachrichten: Wir freuen uns, dass es mittlerweile wieder möglich ist, weitestgehend uneingeschränkt allen alltäglichen, sportlichen und kulturellen Tätigkeiten wieder nachgehen zu können. Was noch unter zum Teil auch fragwürdigen Einschränkungen nicht möglich war, können wir in Rauenberg, Malschenberg und Rotenberg endlich wieder tun: bei unseren Zusammentreffen wie den Kerwen, Festen, sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen miteinander ins Gespräch kommen. Das ist für uns Bürger unheimlich wichtig – davon lebt unsere Gemeinschaft und unsere Vielzahl an Vereinen leisten dazu ihren enormen Beitrag. Daher ist es auch richtig und wird auch in Zukunft wichtig sein, diese finanziell zu unterstützen.

Einnahmeausfälle, die aufgrund der Pandemiesituation befürchtet wurden, sind so nicht eingetreten: Im Gegenteil: 2022 konnten wir eine Ergebnisverbesserung von 2,4 Millionen Euro im Vergleich zur Planung erzielen, Kredite mussten im Jahr 2022 keine aufgenommen werden. Das ist zu begrüßen und man würde sich wünschen, Rauenberg würde sich in dieser Form finanziell weiter konsolidieren.

Aber weit gefehlt: Veranschlagt ist, dass Rauenberg im nächsten Haushaltsjahr nicht nur seine gesamten liquiden Mittel benötigt, sondern auch Kredite von 2,3 Millionen Euro, um sämtliche Investitionen und laufenden Ausgaben bewältigen zu können. Wem das noch nicht reicht, kann gerne einmal einen Blick auf die mittelfristige Finanzplanung werfen: Bis 2026 wird die Gemeinde weitere veranschlagte 16,8 Millionen Euro an neuen Krediten benötigen. Rechnet man die Kredite des Eigenbetriebes „Abwasserbeseitigung“ noch hinzu, wird Rauenberg im Jahr 2026 einen Schuldenstand von ca. 35 Millionen Euro aufweisen. Es ist zu vermuten, dass man dann mit Krediten die schon bestehenden Kredite bedienen muss – ein Szenario, das keine Aufsichtsbehörde genehmigen kann. Machen Verwaltung und Gemeinderat so weiter, fahren sie Rauenberg finanziell mittelfristig gegen die Wand.

Das ist der Verwaltung auch bewusst, da sie selbst konstatiert, dass sie zwar für 2023 durch Verschiebungen und Einsparungen noch einmal einen genehmigungsfähigen Haushalt aufgestellt hat, dies aber für das Jahr 2024 kaum noch machbar erscheint.

An dieser Stelle kann man der Verwaltung eine sehr transparente Darstellung, welche auf die kommenden Schwierigkeiten ehrlich hinweist, bescheinigen. Die FDP-Fraktion begrüßt es, dass alle mittelfristigen Investitionsvorhaben offen thematisiert wurden und bedankt sich hierfür ausdrücklich.

Umso transparenter dies alles ist, umso mehr erstaunt es, dass die Stadtverwaltung aus finanzieller Sicht keine wirklich offene Priorisierung vornimmt, dass man kaum Ideen hört, wie alle Vorhaben mittelfristig finanziell realistisch zu stemmen sein sollen.

Die Risiken sind bekannt und mannigfaltig: Seien es Inflation, steigende Energiekosten, eine höhere Kreisumlage oder eine mögliche weitere Flüchtlingszuweisung. Es wird mit recht hoher Wahrscheinlichkeit darauf hinauslaufen, dass in den nächsten Jahren Steuern oder Abgaben für alle Bürger Rauenbergs erhöht werden müssen oder der Gemeinderat und die Stadtverwaltung feststellen müssen: Dieses Projekt können wir auf lange Sicht nicht stemmen, jene Straße oder eine Kindereinrichtung nicht sanieren.

Weil dem so ist, hat die Verwaltung ganz geschickt das neue Multifunktionsgebäude so weit und so schnell wie möglich vorangetrieben, so dass hier ein Zurück oder ein Stopp schwierig wird. Das Projekt sollte ohne Rücksicht auf die ernste finanzielle Lage unter allen Umständen weiter durchgesetzt werden. Aus den veranschlagten sechs Millionen Euro Kosten wurden schnell acht. Dass aus dem Vorhaben noch weitere Folgekosten entstehen, weil Umgestaltungen und Umbauten in der Mannabergschule fällig werden oder neue Parkplätze fehlen, wurde bei der Entscheidung für oder gegen das Mammutprojekt nicht oder häppchenweise dargestellt.

Für eine wirkliche Diskussion über sinnvolle pädagogische Alternativen, die auch das Problem der Verköstigung besser hätten lösen können, gab es keinen Raum. Dem Gemeinderat wurde das Prestigeobjekt Multifunktionsgebäude als einzige machbare Lösung präsentiert, um es anschließend wieder zum „Kindergarten mit Mensa“ herunterzuspielen. Das Argument, dass man bis 2026 für jedes Kind einen Anspruch auf einen Ganztagesplatz erfüllt haben müsse, überzeugt nicht! Die FDP-Fraktion möchte gar nicht wissen, wie viele Auflagen nicht erfüllt werden, da diese schon jetzt oder in Zukunft finanziell nicht gestemmt werden können. Eine Abwägung darüber, welche Auflagen nicht erfüllt werden sollen, gab es im Gemeinderat nicht.

Die Entscheidung für das Multifunktionsgebäude hat zur Folge, dass höchstwahrscheinlich städtische Einnahmequellen in Form von Steuern erhöht werden müssen oder andere Projekte nicht mehr machbar sind, ohne dass dies so offensichtlich war. Eine wirklich freie Entscheidungsmöglichkeit sieht anders aus.

Wie soll man eigentlich beispielsweise einem alleinerziehenden Elternteil erklären, dass eine Stadt für Kinder, die größtenteils noch gar nicht geboren sind, auf Kosten der Steuerzahler (also auch auf Kosten des Elternteils) komplett kreditfinanziert weit über 8 Millionen Euro ausgibt? Wie soll man erklären, dass gleichzeitig alle Bürger mit Kindern durch eine Erhöhung der Kindergartengebühren -wie in diesem Jahr geschehen – belastet werden? Sozial ausgewogen ist das nicht!

Auch wenn es sicherlich richtig ist, dass mit immer weiter steigenden Aufgaben und Auflagen finanzielle Schwierigkeiten zu einem großen Teil nicht den Städten und Kommunen anzulasten sind, muss man sowieso angespannte Haushaltslagen nicht noch weiter überspannen. Zumindest sollte man gerade bei Großprojekten wesentlich sorgfältiger abwägen, auf die finanziellen Gefahrenlagen der Überschuldung hinweisen, mehr Lösungsansätze gegenüberstellen und damit den Gemeinderäten wirkliche Alternativen aufzeigen.

Die FDP-Fraktion ist gespannt, wie es weitergeht – und hofft vor allen Dingen auf wirkliche und kontroverse Diskussionen, auch wenn in der Folge möglicherweise Entscheidungen weniger oft einstimmig getroffen werden.

Um den Bogen zum Anfang dieser abgedruckten Haushaltsrede zu spannen: Letztlich hoffen wir sogar, dass wir mit unserer Ansicht, dass Steuern und Abgaben in Zukunft erhöht werden müssen, nicht Recht behalten, aber wenn es doch dazu kommt, werden wir uns dafür einsetzen, den tragenden Säulen der Stadt keine zusätzlichen Belastungen aufzubürden.

Es grüßt Sie alle herzlich für die FDP-Fraktion

Friso Neumann“