Friso Neumann interviewte Jens Brandenburg MdB

Austausch hilft dem FDP-Abgeordneten sehr bei seiner politischen Arbeit

Dr. Jens Brandenburg MdB / Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Friso Neumann, Gemeinderat der Stadt Rauenberg, traf Dr. Jens Brandenburg MdB und wollte in Erfahrung bringen, was er in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter gemacht hat und inwiefern dies auch für die Bürger Rauenbergs, Malschenbergs und Rotenbergs interessant ist.

Friso Neumann (F.N.): „Hallo Herr Brandenburg, Sie sind vor vier Jahren als 31-Jähriger in den Bundestag für die FDP eingezogen und vertreten seitdem den Rhein-Neckar-Kreis. Inwiefern sind die Städte und Gemeinden, zu denen ja auch Rauenberg gehört, in Ihrem politischen Handeln von Bedeutung?

Dr. Jens Brandenburg (J.B.): Neben meiner fachlichen Arbeit in Berlin stehe ich natürlich vor Ort als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Der Austausch hilft mir sehr bei der politischen Arbeit. Vor allem in den Monaten des Lockdowns gab es massive Probleme vor Ort.

F.N.: Sie haben die Coronapandemie angesprochen: Sie hat das gesellschaftliche Leben in ganz Deutschland verändert, da für uns normal gewordene Dinge verboten wurden. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen, die in der Vergangenheit getroffen wurden? 

J.B.: Wir Freie Demokraten haben zu Beginn der Pandemie viele der Maßnahmen mitgetragen, auch weil man Vieles über das Virus noch nicht wusste. Inzwischen sind wir deutlich klüger. Ein solcher Lockdown darf sich auf keinen Fall wiederholen. Soziale Isolation als das einzige Mittel greift zu kurz, löst das Problem nicht und hat schwerwiegende psychische Folgen, unter denen besonders Kinder und Jugendliche sehr stark leiden. Deshalb sollten wir mit dem Blick nach vorne stärker auf die Impfkampagne und funktionierende Testkonzepte setzen und Freiheitsrechte dort, wo es möglich ist, stärker schützen.

F.N.: Wie stehen Sie zu der Einschränkung der Freiheitsrechte, wie sie während der Coronapandemie stattfand?

J.B.: Sie waren an vielen Stellen unverhältnismäßig. Das Grundgesetz ist keine Schönwetterverfassung, sondern gilt auch und gerade in Krisenzeiten. Deshalb muss bei jeder Maßnahme abgewogen werden, ob sie wirklich notwendig ist und ob es nicht bessere Maßnahmen gibt. 

F.N.: Welche weiteren Themenfelder waren Ihre Schwerpunkte in den letzten vier Jahren?

J.B.: Mein Schwerpunkt ist die Bildungspolitik. Es ist sehr ärgerlich, dass in Deutschland immer noch die Bildungschancen stärker als in anderen entwickelten Staaten von der sozialen Herkunft abhängen. Deutschland hat die digitale Bildung viel zu lange verschlafen. Das hat die Krise gezeigt. Eine Bildung, die wirklich jedem Kind, jedem Jugendlichen, jedem jungen Erwachsenen unabhängig von der sozialen Herkunft gerecht wird, muss das Ziel sein. 

F.N.: Welche weiteren Maßnahmen sind notwendig, um chancengerechte Bildung zu verwirklichen?

J.B.: Ich setzte mich ganz persönlich für eine Stärkung der beruflichen Bildung ein. Auch im digitalen Zeitalter brauchen wir nicht nur Theoretiker, sondern hochqualifizierte Fachkräfte, die das alles in gute Produkte, Anwendungen und Dienstleistungen übersetzen. Es gibt leider immer weniger Ausbildungsverträge. Wir sollten schon viel früher an den Schulen, auch an den Gymnasien, für berufliche Bildung werben. Beste Arbeitschancen gibt es natürlich nur in einer brummenden Wirtschaft. Deshalb wollen wir nicht länger Weltspitze bei Steuern und Abgaben sein, sondern bei Innovationen und Arbeitsplätzen, auch hier in der Region.

F.N.: Die Weinstadt Rauenberg mit den Stadtteilen Rotenberg und Malschenberg liegt in ländlichem Gebiet, hat aber als unmittelbares SAP-Einzugsgebiet und aufgrund vieler Nachfragen einen großen Wohnraumbedarf. Lassen sich Ihrer Meinung nach städtische Verdichtungskonzepte auf ländliche Gebiete übertragen?

J.B.: Die Bedingungen sind natürlich in kleineren Orten andere. Der Wohnraummangel hier in der Region ist schon enorm. Wir sind eine der wenigen Regionen in Deutschland mit massivem Zuzug. Das erhöht den Druck auf den Wohnraum. Da hilft letzten Endes nur bauen, bauen, bauen. Es braucht mehr Neubaugebiete, die Erlaubnis zum Dachgeschossausbau und eine bessere Anbindung abgelegener Wohnorte. Auch die rasant angestiegenen Baukosten sind ein Problem.

F.N.: Wie möchten Sie gegensteuern?

J.B.: Ein großer Kostentreiber ist zum Beispiel der Erdaushub. Die Richtlinien sind viel zu streng. Fast egal, wo man in der Region ein Loch in die Erde buddelt, ist die Erde nach aktuellen Grenzwerten reif für die Deponie und muss zu sehr hohen Kosten entsorgt werden. Das hat mit Menschenverstand und Umweltschutz sehr wenig zu tun, das wollen wir ändern.

F.N.: Gibt es seitens der FDP Konzepte, um ländliche Gebiete besser mit dem ÖPNV zu vernetzen?

J.B.: Wir brauchen generell eine bessere Infrastruktur. Als FDP wollen wir die Metropolregion Rhein-Neckar zur Modellregion für eine Verkehrswende ausbauen, die auch eine stärkere digitale Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel beinhaltet. Da ist noch viel Luft nach oben.

Persönlich macht mir der geplante Ausbau des Walldorfer Kreuzes große Sorgen. Das wird viele Jahre dauern und Megastaus in alle Richtungen verursachen. Darunter werden insbesondere die direkt betroffenen Kommunen sehr leiden. Weder die Landes- noch die Bundesregierung ist mit überzeugenden Konzepten auf diese Staus vorbereitet. Deshalb wollen wir jetzt alles dafür tun, für entsprechende Entlastung zu sorgen; beispielsweise mit einer Behelfsausfahrt nördlich des Walldorfer Kreuzes, um die umgehenden Landesstraße zu entlasten. Das wirkt sich bis nach Rauenberg aus.

F.N.: In diesem Zusammenhang ist die L 723, die von Rauenberg nach Walldorf führt, zu Stoßzeiten schon stark belastet. Würden Sie einen Ausbau begrüßen?

J.B.: Ja. Das Nadelöhr ist der Zweispurigkeit geschuldet. Das muss sicher auch als eines von mehreren Elementen ausgebaut werden.

F.N.: Der ÖPNV muss ja in ländlichen Gebieten immer im Zusammenhang mit Individualverkehr mit dem Auto gesehen werden. Wie sieht die Zukunft des Automobils aus?

J.B.: Wir Freie Demokraten sind technologieoffen. Das eigentliche Problem ist nicht der Verbrennungsmotor, sondern die fossilen Kraftstoffe. Man sollte also den Verbrennungsmotor nicht politisch verteufeln. Welche Antriebsformen sich auf Dauer mit der weiteren technischen Entwicklung durchsetzen, werden wir nicht in den Parlamenten oder Ministerien entscheiden können. Dies werden die Verbraucherinnen und Verbraucher und insbesondere auch die Ingenieurinnen und Ingenieure in den Unternehmen entscheiden. Vermutlich wird es mittelfristig einen Mix an Antriebstechnologien geben, je nach Bedarf, ob kurze oder weite Strecken zurückgelegt werden. Mehr Menschen werden sich mit einer Kombination aus Individual- und dann hoffentlich gut ausgebauten öffentlichen Verkehr fortbewegen.

F.N.: Vielen Dank für das Interview.

J.B.: Sehr gerne, vielen Dank!